09.05.20

„Memme.“
Ich zuckte mit den Schultern. „Ja und? Mir lief ein kurzer Schauer über den Rücken, dann spielte sich der Film wieder weiter ab und es kam der Spruch … wie ging der nochmal … Ach ja: ‚Kinderlähmung ist bitter, Schluckimpfung ist süß.‘ Oder so ähnlich, ist lange her.“
„Sagt eurem Papa, dass ich ihn die Tage mal anrufe, wenn er mir nicht zuvor kommt.“
„Wollt ihr ein Selbstgespräch führen?“
„Da werdet ihr jetzt ewig drauf herum reiten?“
„Was hast du denn gedacht?“
Nach unserer Session saß ich krumm vor dem Rechner und musste mich erstmal strecken. Dann musste ich aber direkt eins der Videos von Daniel angucken. Mir fiel auf, wie lange ich ihn nicht gesehen hatte. Er wirkte müder und älter als zuletzt. Trotzdem sah er gut aus, ich glaube, das lag am Licht. Einen tollen Groove stellte er da vor, und ich konnte dem Impuls dazu zu spielen nicht widerstehen, also klopfte ich auf meinen Knien mit. Dann stoppte ich das Video, stöpselte den Videoton vom Computer via Klinkenkabel in das E-Schlagzeug ein und nutzte die Playback Funktion. Wurde auch Zeit, dass ich das einmal ausprobierte. Inzwischen ist es auch keine einzige Blamage mehr.

Hat Spaß gemacht. Daniel macht das super, und jetzt auch noch gelernt sich dabei zu filmen. Andere quatschen endlos in ihren Podcasts und Videos, als hätten die Leute nicht noch anderes vor. Himmel, manche sind inzwischen länger als Kinofilme, die selber immer länger werden. Niemand schaut selbst, hört selbst, spricht, oder denkt selbst – alles lassen wir uns erklären. Wir sind der vierte Affe.
Wahrscheinlich weil wir noch visueller geworden sind. Ich weiß nicht, ob das gut ist. In einigen Dingen ist es toll, wenn man etwas lernen will, oder kochen, einen Song spielen, irgendwas mit den eigenen Händen machen. Aber für den Geist? Zur Meditation? Zum Einschlafen? Verkümmert dabei unsere Vorstellungskraft, wenn wir nicht mehr lesen? Na prima, jetzt klinge ich schon wie mein eigener Uropa.

Noch etwas fällt mir gerade nach dem Videotelefonat ein: ich fühle mich nicht von Mario bedroht, obwohl es so aussieht, als hätte er sich in dem Beziehungsvakuum ausgebreitet, das ich hinterlassen habe. Nicht wie damals bei Lukas nach Bad Kissingen. Ich lerne also doch dazu, auch wenn es länger dauert.
Apropos Mario: die Tennis-Leute sind vorsichtiger als die Fussballer und verschieben die French-Open in den September. Dabei sind die nun wirklich meistens mehr als anderthalb Meter voneinander entfernt. Hut ab. Da hätte dem Virus so gepasst, Roland-Garros den Garaus zu machen.

© Jens Prausnitz 2023

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