09.05.20

„Im falschen Licht?“ Dennis verlor die Nerven. „Das hängt doch alles zusammen, und wir haben keine Zeit zu verlieren.“
„Ja, ich weiß. Und ich teile ja eure Sorgen. Aber was ihr überseht ist, dass sich etwas tut. Für euch ist es vielleicht kein großes Ding, aber die Bundesliga hat ausgesetzt, das Land steht still.“
„Ja und?“
„Nichts ja und! Nicht mal beim Mauerfall fiel ein Spieltag aus. Und die Schulen sind zu.“
„Ich verstehe nicht, warum uns das beruhigen sollte.“
„Es soll dich nicht beruhigen,“ sagte ich. „Wie soll ich… also als damals die Mauer fiel, da lag etwas in der Luft. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Veränderung? Dinge waren urplötzlich in Bewegung und passierten vor unseren Augen. Dinge, die wir nicht für möglich gehalten haben.“
„Wie den Mauerfall?“ fragte Clara.
„Ja, genau. Ich meine … Verdammt, das Ding ist jetzt länger weg, als sie stand. Und die stand mein verdammtes Leben lang. Also damals. Versteht ihr das? Wenn man als junger Mensch davor steht und weiß, die war schon da, da warst du noch nicht mal geboren, dann ist das wie eine Ewigkeit. Weil einen größeren Zeitraum kann man sich da noch gar nicht vorstellen. Wie soll man das auch begreifen? Hätte mir da jemand gesagt, du in 30 Jahren ist sie weg, dann hätte ich das eher glauben und verstehen können, weil das ein noch größerer Zeitraum war, als der, den ich bisher auf der Welt verbracht habe.“
„Ich glaub, ich fang an zu verstehen, was du meinst,“ sagte Dennis.
„Begreifen könnt ihr das erst in 20 Jahren, jetzt schlüpft es euch durch die Finger, und das ist auch richtig so. Weil es jetzt in Bewegung ist, und so lange es in Bewegung ist, kann man es einreißen. 89/90 war das genauso. Da schwamm alles über Wochen und Monate, alles war Lava, wenn man nicht aufpasste, dann war es um einen geschehen. Das war nicht erst beim Mauerfall so, sondern wir haben es schon im September gespürt.“
„Wie deine angeblichen Erdbeben in Aachen?“
„Die werden gemessen! Aber ja, das trifft es gut. Im September haben wir dieses Erdbeben in Vilshofen gespürt, bevor es im ganzen Land gebebt hat. In Ungarn und der Tschechoslowakei und Polen hat es auch schon Vorbeben gegeben, da war die Erde bei uns noch ruhig.“
„Und die Tiere? Was war mit den Tieren,“ wollte Clara wissen. „Was?“
„Na, weil die das doch oft vor den Menschen spüren und unruhig werden?“
„Na ja, kann gut sein, dass da mal ne Kuh hochgeguckt hat, als ein Trabbi vorbei geknattert ist, aber ich glaub das meinst du nicht, oder?“ Die beiden lachten, und ich mit ihnen.
„Wer weiß, vielleicht gibt es nächstes Jahr sogar schon Impfungen für euch an der Schule. So wie bei uns in den 70ern, da gab es Schluckimpfung in der Turnhalle.“

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