09.05.20

„Nein, voll professionell“, sagte Dennis. „Mario hat sich darum gekümmert und alles eingerichtet. Wir haben erst Testaufnahmen gemacht, damit waren alle zufrieden, und ich schmeiße jetzt die technische Seite.“
„Papa hat erst seine Gitarrenstunden virtualisiert und dabei über die Webcam, den Rechner und das Internet geflucht, also habe ich Mario gebeten sich das einmal anzuschauen“, sagte Clara. „Dann kam eins irgendwie zum anderen, und seitdem ist Papa beschäftigt und nicht mehr so angespannt wie vorher.“
Ich war glücklich und beeindruckt. Glücklich, weil sie nicht das Geringste an ihrer Verwendung von Papa geändert haben, und beeindruckt von Mario. Der Kerl wickelte einen nach dem anderen die ganze Familie um den Finger. Ob Nadja auch schon seinem Charme erlegen war? „Ihr wisst gar nicht, wie sehr ich mich darüber freue, das sich nichts zwischen uns verändert zu haben … scheint.“
„Wieso hätte es auch?“, fragte Clara mit einem Schulterzucken. „Auf eine Lüge mehr oder weniger kommt es in unserer Familie längst nicht
mehr an.“
„Was soll denn das heißen?“, wollte ich wissen.
„Kinderheim“, sagten sie im Chor. Dann erklärten sie mir, dass das ihr Codewort war, wenn ihnen ihre Eltern einen Bären aufzubinden versuchten. Mit der Lüge über das Kinderheim habe alles begonnen. Erst seien ihre Eltern bei Fragen danach ausgewichen, oder blieben erstaunlich einsilbig, und der anfängliche Verdacht verhärtete sich. Es sei gewesen, wie an einem Versteckspiel teilzunehmen, dessen Regeln man nicht kennt. Als sie dann älter wurden und selbst recherchierten, erfuhren sie von Missbrauch und Gewalt in den Heimen der DDR, die einfach so gar nicht zu den spärlichen Erzählungen ihrer Eltern passen wollten. Nadja und Daniel hätten dann irgendwann keinen Sinn mehr darin gesehen diese Geschichte noch länger aufrecht zu halten. Ihre Mutter erzählte ihnen dann wo sie wirklich herkam, dass sie sich aus der Schule kannten, wo sie sich ineinander verliebt, aber keine Zukunft für sich in der DDR gesehen hätten, und daher die Gelegenheit zur Flucht in den Westen wahrnahmen.
„Du weißt schon, im Grunde so wie bei Romeo und Julia“, versuchte Dennis die Geschichte abzukürzen.
„Wenn da beide am Ende noch leben würden, ja.“
„Na ja, halt nur der Teil, dass ihre Eltern was gegen ihre Beziehung hatten. Deswegen haben wir die nie kennengelernt.“
„Übrigens mussten wir das vor dir geheim halten, auch wenn wir nicht so richtig verstanden, warum“, fügte Clara hinzu. „Wobei wir es jetzt natürlich ahnen können.“
Warum haben sie damals nicht gleich reinen Tisch gemacht? Das hätte uns so viel Ärger erspart … den ich uns eingebrockt hatte, wohlgemerkt, also was Lukas angeht. Das mit der Vaterschaft will mir ja noch immer nicht in den Kopf.

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