29. September 2019 – Nachtschicht

Ach Moment, von Uwe, meinem Chef, hab ich noch gar nichts erzählt! Dabei war er für mich die Autorität des Sommers gewesen, vielleicht weil er alle anderen um einen Kopf überragte. Also mindestens.

Uwe Suchomel vom Roten Kreuz war mit seinen Kollegen in einem VW-Bus in meinem Leben angekommen – komisch, immer wieder spielen die eine Rolle. Egal: Der Laden stand nach drei Tagen, aufgebaut unter den Augen der Presse aus aller Welt. Sogar das ZDF hatte einen Übertragungswagen dorthin abbestellt, und zwar vom Kinderfernsehen. Kein Witz. Das hatten die gerade erst gegründet, und dann standen da kleine deutsche Kinderreporter zwischen Kollegen aus England und Japan. Zwei Köpfe kleiner sieht man die Welt besser – ZDF. Man erkennt daran aber auch, wie sehr man bei uns die Tragweite verschlief, und aufgrund der Jahreszeit noch mit dem Sommerloch verwechselte. Winterschlaf im Sommerloch. Die Kinder hatten aber trotzdem die überraschenderen und besseren Fragen. Es sollten eigentlich nur noch Kinder Fragen stellen dürfen. Die müssen jedenfalls auf einem Tisch gestanden haben, wenn sie Uwe interviewen wollten.

Uwe’s Igelkopf überragte zwar alle, war dabei aber ein Muster an Bescheidenheit. Und vor allem laberte er nicht herum, sondern redete Tacheles. Ein Anpacker, wie er im Buche steht. Einer von denen, die vor Ort die Probleme lösten, die Politiker aus der Ferne verbockt hatten. Auf die Nerven gingen ihm besserwisserische Politiker in ihrem für den Ortsbesuch ungeeigneten, eleganten Schuhwerk. Daran konnte man sie laut ihm auch immer zuverlässig erkennen. Als es dann im Vorfeld der Grenzöffnung ein bisschen länger geregnet hatte, stand prompt der Herr Staatssekretär in Tiefenbach knöcheltief im Wasser. Wer hätte bei dem Ortsnamen auch mit sowas rechnen können? Ich glaube inzwischen würde Uwe aber auch Gummistiefel mißtrauisch betrachten, ohne sich das anmerken zu lassen.

Prompt überschlugen sich jedenfalls die Regional- und Landespolitiker mit Aktionismus, dass die billige Zeltlösung wohl doch nicht so ideal sei. Nur bei uns in Vilshofen gab’s die Probleme von dort gar nicht, denn hier standen die Zelte auf Beton und Asphalt. Wenn man die Zelte vom Kondenswasser trocken kriegen wollte, musste man sie nur lüften. Für so grundeinfache logische Argumente hatte aber niemand mehr offene Ohren, und das ging Uwe halt auf den Keks, der lieber half, ohne viele Worte machen zu müssen. Er war schon überall gewesen, aber so ein Tamtam wie hier hatte er noch nirgendwo erlebt, und deshalb verlegten wir halt ohne Not noch Bretter in den Zelten, damit sich die Politiker gegenseitig auf die Schultern klopfen konnten, ohne das Brett vor ihrem Kopf auch nur mit den Fingerspitzen anzupacken. Oder irgendein anderes. Das ist wohl Teil der Spielregeln.

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