Eins hab ich ganz vergessen, ich hatte einen Traum, gleich in der ersten Nacht. Natürlich wieder am Gymnasium, aber diesmal war das Licht an, oder es war Tag. Ich war wieder allein dort, keine Väter die mich suchten, Lukas und Sandra waren vor der Schule, als würden sie Wache stehen. Ich sah sie nicht, wusste aber, dass sie da sind.
Überall auf dem Boden im C-Bau lagen Tonkügelchen verstreut herum, die aus den Pflanzenkübeln, mit denen wir uns immer beworfen haben, aber stattdessen wusste ich, dass Sandra’s Katze ihr Geschäft da drin verrichtet hatte, und noch irgendwo hier sein musste. Wie zum Beweis hörte ich ihr Maunzen, also ging ich sie suchen. Wahrscheinlich würde ich sie dort finden, wo es warm ist. Also ging ich nach unten, was mir jetzt unlogisch erscheint, weil Wärme steigt doch nach oben? Das Maunzen kam von rechts, also ging ich dort entlang, an der Bibliothek und den Toiletten vorbei zum kleinen Pausenhof. Dort hatte ich mit Evelyn gesessen und war der glücklichste Junge auf der Welt gewesen, aber die Katze hörte ich jetzt hinter mir. Auch das wieder unlogisch, es sei denn sie wäre rechts die Treppe hoch und von dort aus wieder zurück gelaufen. Also umgedreht und jetzt suchte ich sie in der Bibliothek zwischen den Regalen. Hatten die nicht Nummern? Jetzt hörte ich das Maunzen nicht mehr, sah die Bücher vor mir an, und da waren 500er Nummern. Auf dem Brett darunter 400er. Ich zählte runter und das Brett, wo die 100er gewesen wären, war leer. Dann hörte ich eine Maus quieken, war ich jetzt die Katze? Nein, ich war nur in die Hocke gegangen, wo es deutlich kühler war, und das Quietschen kam von den Rollen des Bibliothekswagens, auf dem die wieder einzusortierenden Bücher lagen. Ob dort meins dabei war? Ich krabbelte auf allen Vieren durch den Gang und da, bei den Heizungen lag die Katze, und als ich zu ihr wollte, rauschte der Rollwagen in mich rein und ich wachte auf.
Nummerierte Bücher, unterstes Brett, Rollwagen, Bibliothek, Katze. Und was hatte Evelyn mit all dem zu tun? Halt, die war gar nicht Teil des Traums gewesen. Aber an dem Abend war ich rundum glücklich gewesen, und wir saßen vor einem Ausgang aus der Schule. Dem Hinterausgang. Nur auf den Pausenhof, aber von dort aus war nur noch ein kleiner Zaun zu überwinden, der uns nicht aufhielt.
Dann war vielleicht das Umdrehen ein Fehler? Der Gang in die Bibliothek, die Suche nach der 107? Einfach alles los lassen, der Katze folgen, meine Freunde halten mir draußen den Rücken frei. Draußen. Endlich die Schule verlassen, vom Dach oder durch den Hinterausgang, Hauptsache raus.
Ach, was weiß ich.
Schön war es in Vilshofen gewesen. Nein, schön war es mit Lukas und Sandra. Und Marlene. Die könnten doch nach Aachen kommen, dann… wäre ich nicht so allein. Das wollte ich gerade gar nicht schreiben, ist aber so. Ich werde mir auch kein Haustier anschaffen, das dann hier alleine rumsitzt, wenn ich arbeiten gehe. Nein, wer mir hier fehlt ist Lukas. Nur kann man Lukas nicht verpflanzen. Er würde beim Umtopfen eingehen. Sein Wurzelwerk zieht sich schon durch die ganze Stadt.