28. Dezember 2019 – frei

Wir erklommen den Berg und ich machte einen großen Ausfallschritt über eine eintrocknende Pisspfütze. Lukas blieb stehen und betrachtete sie eingehend, während ich froh um die Verschnaufpause war.
Dann wurde Lukas regelrecht philosophisch: „Morgendliche Spuren, wo jemand kurz zuvor unbeobachtet in der Nacht hibrunzt hod. Frech auf den Gehsteig gsoacht, vo wo es auf’d Straßn rinnt, und da isses a scho vorbei. Woan’s siebm Hoibe? Meine? Man woas es ned.“
Ein Stück oberhalb von Vito’s hatte Lukas dann seinen Proberaum. Hausnummer Dreieinhalb. In echt. Ich war total aus der Puste. Als er aufschloss und sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, traute ich ihnen trotzdem nicht. Denn sie beharrten darauf dort mein Schlagzeug zu sehen.
„Doch, des isses.“
Ich fiel Lukas um den Hals, und fing an zu schluchzen, ich kann nicht mal genau sagen warum. Das war einfach alles zu viel. Er hatte es nicht verkauft. Nichts. Alles war noch da!
„I hob amoi versuacht drauf zum spuin, aber des ging ned. I woas scho, du host mias erlaubt und so, aba des woa … ned richtig. I konnt’s ned. Verstehst? Es tat einfach zu weh.“
Ich nickte, setzte mich dahinter und richtete alles ein, während Lukas seinen Bassverstärker anwarf, sich die Fingerhüte über die Finger stülpte, und damit Slap Bass spielte, dass mir die Ohren schlackerten. Alter Schwede, war er gut geworden. Ich schämte mich und drehte den Stuhl ein bisschen tiefer. Dann traf mich noch etwas wie ein Blitz: Lukas hatte den Raum so eingerichtet, wie wir früher geprobt haben, und in der Ecke von Daniel war Platz frei geräumt. Bei Lukas ist nie irgendwo etwas frei geräumt, und hier war eindeutig Raum für jemanden gelassen worden, der entweder gerade auf die Enterprise gebeamt worden war, oder sich seit 30 Jahren nicht mehr hat blicken lassen.
Lukas nahm zwei Fingerhüte wieder ab und stimmte den Bass tiefer, ich glaub bis auf C runter, so dass die Saiten schon an den Bünden zu schnarren begannen. Dann begann er den Groove von „Major Tom“ zu spielen und ich setzte ein. Wir spielten dieses verdammte Lied mindestens eine halbe Stunde lang, mal improvisierte Lukas darauf herum, mal ich. In dem Tempo machte es mordsmäßig Spaß, aber ich kam verdammt schnell aus der Puste. Muss am Berg gelegen haben.
Mir schmerzten schon die Hände von sich bildenden Blasen, und fast alle Felle waren im Eimer, was meinen eingerosteten Fähigkeiten entgegen kam.

In einer Pause sprachen wir über den Geist im Raum, weil mich Lukas nach Daniel fragte. Ob es Neuigkeiten gäbe und so. Ich Feigling schüttelte den Kopf und bestätigte ihm, was er schon wusste: Dass Daniel noch immer so gut war, wie damals. Eher noch besser. „Aber du spielst inzwischen in einer ähnlichen Liga, mein Freund.“
„Ah geh, des is doch nua a bissl Angeberei.“
„Deine Fingerhut-Technik macht dir niemand nach.“
„Klingt schee hoat, ned woa? Metallisch hoid.“

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