18. September 2019

Ganz doof waren Daniel’s Eltern aber auch nicht, weil der alte Speck fragte zum Beispiel frech, ob Daniel denn vielleicht auch ein Bier getrunken habe, was Lukas an den Rand der Lüge brachte. Jedoch nur an den Rand, denn um sicher zu gehen, kippte sich Daniel immer noch einen Schluck von etwas anderem hinein, damit es auf diesem Umweg für Lukas zu einem Radler wurde. Er stellte vorher immer sicher, dass Lukas dabei nicht hinsah, sondern nur hinhörte, wenn er es tat. Damit versaute sich Daniel zwar oft den Geschmack vom Bier ein wenig, andererseits wollte aber auch wirklich nie wieder jemand einen Schluck von ihm abhaben. Und wenn Daniel mutiger drauf war, enthielt sein Radler sogar Schnaps. Mehr als eins trank er dabei sowieso nie, damit er nüchtern genug blieb, und für hinterher hatte er immer Tic Tac dabei. Wenn er nichts anderes zum reintun hatte, landete auch mal eins davon im Bier, wo es dann vor sich hin blubberte, oder es beinahe zum Überlaufen brachte, wenn er nicht aufpaßte.

Was früher funktioniert hat, würde auch jetzt klappen, so war unsere Überlegung. Und Lukas war einverstanden gewesen. Auf die Frage, ob er wisse, wo Nadine und Daniel wohnten, würde er wahrheitsgemäß nein antworten, weil er sie ja bei mir getroffen hatte, und von mir war bekannt, dass ich jetzt in Aachen lebe. Wurde er gefragt, ob er Nadine und Daniel gesehen habe, dann verneinte er auch das, denn er hatte ja Nadja und Daniel getroffen. Zu unserem Glück wurde er immer nach beiden zusammen gefragt, und nie einzeln. Aber wer nach Daniel fragte, bekam als Gegenfrage ‚Daniel Speck?‘ zu hören. Denn für ihn war er ja inzwischen zu ‚Daniel F.’ geworden, und so lief auch diese Frage ins Leere. Unseren Daniel und diese Nadine von drüber hatte er also offiziell zuletzt im September 1989 gesehen.

Die Sache war tatsächlich wasserdicht, aber leider auch in beide Richtungen, und damit wenig durchdacht, denn es hieß auch, das wir Lukas immer mehr belügen mussten. Bei kleinen Lügen ist das ja vielleicht noch in Ordnung, weil es das Beste für alle war, aber mit der Zeit wurden die Lügen größer. Sprichwörtlich, denn die Zwillinge werden übernächstes Jahr volljährig, und er hatte keinen blassen Schimmer von ihrer Existenz. Das war einfach zu viel. Nach allem, was er für sie ertragen hatte – und auch für mich. Wie oft ich ihn darüber angelogen habe, warum ich wieder keine Zeit hatte, um meinen Urlaub mit ihm zu verbringen, Jahr für Jahr hatte ich immer weniger Zeit für ihn, als wäre unsere Freundschaft langsam eingeschlafen, aber so war es nicht. Nur wie musste das für ihn ausgesehen haben? Jetzt vergisst nach Daniel auch noch Johann, dass es mich gibt? Das war gemein. Man richtet sich in der neuen Welt bequem ein, und dann will man nicht von alten Überbleibseln gestört werden, die einen an diese Lügen erinnern, weder an die, die man anderen auftischt, noch an jene, die man sich selbst erzählt. Das Versteckspiel hat über die Jahre Lukas mit verschlungen. Wollten Daniel und Nadine warten, bis ihre Kinder ausgezogen waren? So ging das nicht weiter.

Also rief ich ihn an, bevor ich länger darüber nachdenken konnte. Sein Mobiltelefon leitete direkt auf die Mailbox weiter, wahrscheinlich war der Akku wieder leer. Auf gut Glück versuchte ich den Festnetzanschluss. Hoffentlich war er in der Zwischenzeit nicht schon wieder umgezogen, und hatte wie üblich vergessen seine Telefonnummer mitzunehmen. Jedes Mal meldete er es komplett ab und dann wieder neu an. Ich wollte schon wieder auflegen, als er außer Atem abhob.

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