Im Stadtrat hatte ich das Thema bereits angesprochen, Fritz Greiler hat in der PaWo schon erste Details verbreitet, nun ist es an der Zeit konkreter zu werden, damit das nächste Woche stattfindende VOF-tonight* vielleicht mal ein Dach über den Kopf bekommt, häufiger stattfindet und überhaupt ins Trockene gebracht wird.
Manche erinnern sich vielleicht noch an das Kino in der Furtgasse – wenn es nicht gewesen wäre würde ich heute vielleicht gar keine Filme machen. Dabei war das Programm schlecht (hallo, 80er Jahre!), aber gerade die schlechten Filme haben mich mit einem “Das kann ich auch!”-Gefühl zurück gelassen. Gute Filme habe ich dann später im Scharfrichterkino entdeckt und aufgesogen.
Dann habe ich Mitte der 90er Jahre selbst die Perspektive des Filmvorführers eingenommen, als ich am Hildesheimer Hochschulkino anfing Filme zu zeigen und Programme zu gestalten. Ehrenamtlich versteht sich. Jahrelang. Dabei lernt man vieles. Wenn man die Abspielstätte quasi “umsonst” (Audimax der Universität / Asta) hat, kann man das “anspruchsvolle” Programm (eine Vorführung in der Woche) schon locker über ein gutes Knabberzeug- und Getränkeangebot querfinanzieren. Dann gab es in Hildesheim mit dem Kellerkino noch ein kommunales Kino mit Anschluß an die VHS vor Ort, die ebenfalls einmal die Woche einen Film zeigten. Inzwischen sind gute 10 Jahre ins Land gezogen, und sowohl die Kinotechnik als auch der Vertrieb von Filmen hat sich komplett digitalisiert. Was hingegen noch am Anfang der Modernisierung steht, ist die Kinogestaltung – es ist höchste Zeit sich auch hier von alten Vorstellungen kommunale Kinos und Programmkinos betreffend zu verabschieden. Das Internet macht es sogar beim Fernsehen vor, ob auf GetGlue oder deutschsprachigen Alternativen. Darüber hinaus gibt es eigene soziale Netzwerke, in denen sich alles um Film und Fernsehen dreht, in Deutschland beispielsweise Moviepilot.
All das zusammen ergibt die Eckpunkte einen Modells für ein modernes Kino in Vilshofen. Nicht in Konkurrenz zu Passau oder anderen Kinos in der Region, sondern als wegweisendes, an der Zukunft orientierten Version. Kommunales Kino 2.0 Reloaded wenn man so will. Denn ein Multiplex finanziert sich in Vilshofen nicht, schon gar nicht wenn man die aktuellsten Filme zeigen möchte – der Markt wird von den großen amerikanischen Verleihern dominiert, die einem ihre Blockbuster nur im Paket mit Ladenhütern geben. Dafür braucht man mehr Leinwände, als die Umgebung Zuschauer hergibt. Das kann also gar nicht funktionieren.
Aber wie dann? Indem man “Aktualität” streicht und durch “Nachhaltigkeit” ersetzt. Das bedeutet nicht nur verstaubte Klassiker und s/w Kino, sondern übersehene Filme aus dem letzten Jahr, sehenswertes von kleinen Verleihern, die nicht mit den Marketingbudgets der Großen mithalten können – es lässt sich für jeden Geschmack etwas finden. Wenn man weiß wo man suchen muss. Denn das Herz eines jeden Kinos ist sein Programm, und das macht viel Arbeit. Diese sollte ehrenamtlich erfolgen, von Enthusiasten, die gar nicht anders können als andere damit anzustecken. Womit ich beim Träger des Kinos angelangt wäre: dem noch zu gründenden Förderverein kommunales Kino Vilshofen e.V.
Das kulturelle Ziel des Vereins ist es, Film und Filmverständnis in der Region zu fördern. Da kann man bei anderen ein bisschen abschreiben, zum Beispiel hier oder dort.
Wirtschaftliches Ziel des Vereins ist nicht nur sich selbst zu tragen, sondern seine erwirtschafteten Gewinne in den Standort und Programmausbau zu investieren. Ein Plus zu generieren ist dabei noch die leichteste Übung. Schwieriger ist der Punkt der Anfangsfinanzierung. Dabei gibt es zwei Punkte, Technik und vor allem die Lokalität. Die Technik kostet heute unter 100.000 EUR mit 4K-Projektion – 3D kann man sich hier sparen, da die Welle schon wieder abebbt, zum mittlerweile fünften(!) mal – und sollte für einen Förderverein zu bewältigen sein.
Bei der Wahl einer geeigneten Lokalität braucht es allerdings die aktive Hilfe der Stadt. Ohne die Bewohner der Furtgasse beleidigen zu wollen – ein Kino gehört ins Zentrum der Stadt. Ein Saal für um die 200 Zuschauer. Aber mit doppelt so viel Platz, gerne im Verbund mit der Gastronomie. Denn Filme gemeinsam sehen ist eins (TV-Serien in HD-Qualität ein noch kaum erschlossenes Terrain), über sie bei Bier oder Wein zu reden und zu streiten ist danach mindestens nochmal so schön. Das Kino muß also zum Verweilen einladen, und nur die Innenstadt bietet dazu genügend Kapazitäten, denn so findet jedes Grüppchen seine Ausweichgelegenheit, und spült nach und nach mehr Kundschaft auch von außerhalb in die Wirtschaft(en).
Was ein Kino heute betonen muß, ist genau dieser Aspekt, der im Zuge des “Heimkinos” unterzugehen droht: das gemeinsame Filmsehen mit Fremden und Freunden. Lernen kann man da von Festivals. Denn der Reiz von Festivals ist neben selten im Kino vorgeführten Filmen und Retrospektiven auch die Gelegenheit Filmemachern Auge in Auge gegenüber zu stehen, mit ihnen ins Gespräch kommen zu können. Es gibt mehr als man denkt, die auch ohne Aufwandsentschädigung gerne mal vorbei kommen, um einen Film/Rohfassung/Making-of zu zeigen. Gerade der Filmnachwuchs könnte von solchen “Testvorführungen” profitieren. Natürlich bietet dazu nicht nur die Premiere von Generation 89 Anlaß – schon im Vorfeld gäbe es reichlich Gelegenheiten, sich dem Publikum zu stellen.
Ein weiterer Punkt sind Informationsveranstaltungen in Kinos – Produktvorstellungen, Workshops, Trainings. Das kann man sich von Unternehmen finanzieren lassen, und in Partnerschaft mit Schulen und Vereinen vor Ort anbieten. Und hier kann man den Saal vermieten, und andere Aktivitäten mitfinanzieren.
Dazu kommen Programme für Schulen (Stichwort: Filmkanon), Kindergärten, die VHS, die Berufsschule, oder der Bezirksjugendring Niederbayern. Es gibt vieles was man gemeinsam anbieten und tun kann.
Noch kaum ausgeschöpfte Möglichkeiten liegen im Internet: denn man kann sich sein Wunschprogramm auch dort zusammenstellen – beispielsweise an einem festen Tag in der Woche gibt es einen Wunschfilm, über den man zuvor im Internet abstimmt, und wenn er genügend Zuschauer findet, wird er gezeigt. Utopisch? Nein, wird längst gemacht, z.B. hier, oder hier (ups, die schrauben gerade am “Relaunch”) – mit entsprechendem Vorlauf und Vorschlägen vom Verein (später dann von der Community selbst) kein Problem.
Aber das Internet kann mehr. Der Förderverein sollte ein eigenes soziales Netz einrichten bzw. betreiben, damit das Reden über Film und Programm auch virtuell weitergeführt werden kann. Die Zuschauer, die Vilshofener, und gerade die Jugend können hier eingebunden, und auf vieles aufmerksam gemacht werden. Auch ausgesuchte Filme können dort in einem entsprechenden Rahmen vorgestellt werden. Beispielsweise Filme unter Creative Commons Lizenz, die in einem monatlichen Best-of auch im Kino gezeigt werden – “umsonst” versteht sich. Als Gegenmodell zum “Sneak Preview” gibt es die “nicht-kommerzielle Vorführung, die nicht öffentlich beworben werden darf”. Klingt kompliziert, funktioniert aber nur so. Und gerade damit kann man Werbung für seine anderen Programmpunkte, und gleichzeitig eine Mitgliedschaft im Verein attraktiver machen.
Ein derartiges Kino ist eine Belebung für das kulturelle Leben in jeder Stadt. Ein Ort, an dem man sich begegnet, gerne Zeit verbringt, Freunde gewinnt, und Freude hat. Das stünde Vilshofen gut zu Gesicht.
Gerne biete ich mich als Gründungsmitglied eines solchen Vereins an, meine Erfahrung als Filmvorführer, Programmgestalter, Filmemacher und Filmenarr. Ehrenamtlich, weil es mir Spaß macht. Ich schreibe/drehe gerne Filmeinführungen, gestalte Programme, mache Werbung, und zahle obendrein einen Jahresbeitrag. Wer ist noch mit dabei?
Liebe VilshofenerInnen, reden wir darüber.
Und ich bitte um Namensvorschläge wie KiVi(Kino Vilshofen) für das Kino in die Kommentare zu schreiben!
UPDATE August 2012: Nachdem die Weststadt zunehmend verödet, und sich selbst der EDEKA von dort verzogen hat – warum nicht ein Kino ins ehemalige Kaufhaus Steubl in der Kapuzinerstrasse 11 setzen? Auf der dort angebrachten Gedenktafel kann man lesen, dass es dort 1890 gar ein Konzerthaus gab – und wenn es mit dem Einzelhandel dort nicht klappt, wieso nicht wieder was mit Kultur und Bildung ausprobieren? Berufsschule, Grundschule, VHS sind langer erfolgreich in unmittelbarer Nähe, ebenso ausreichend Parkplätze vorhanden, wenige Anwohner die sich von einem Kino gestört fühlen könnten… ich erinnere mich an die Tage eines zweistöckigen Kaufhauses in den 80ern, aber das ist laaange her. Fläche wäre dort genügend vorhanden, und es wäre an der Zeit, eine langfristige Lösung für diese Immobilie zu schaffen. Ein Kino wäre da doch eine echte Perspektive, oder? Einspruch und Zuspruch sind willkommen.
Übergangsweise könnte der Förderverein zunächst mit dem Atrium / Gymnasium Vilshofen zusammenarbeiten, und seinerseits die entsprechenden Projektionstechnik bereitstellen. So könnte man die Programmgestaltung bereits in der Praxis testen, ein Stammpublikum aufbauen, und langfristig für einen neuen Eintrag auf der Plakette in der Kapuzinerstrasse sorgen: Umbau zu einem Kinosaal, 2014.
Quelle:
http://www.filmvorfuehrer.de/uploads/1291911130/gallery_75124_81_1195266.jpg (Artikelbild)
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* Dort wird übrigens RISING HOPE als Vorfilm-“Überraschung” gezeigt, mit freundlicher Unterstützung der “Talking Animals” aus Berlin :)
Ich kann dazu nur sagen: ” Am Anfang steht immer eine Vision!”
Wir sollten verschiedne Möglichkeiten durch denken uns besprechen.
Ein Kino wäre eine Bereicherung für unsere Stadt.
Christian Gödel, 2. Bürgermeister